Suchoptionen
Startseite Medien Wissenswertes Forschung und Publikationen Statistiken Geldpolitik Der Euro Zahlungsverkehr und Märkte Karriere
Vorschläge
Sortieren nach
  • ERKLÄRUNG ZUR GELDPOLITIK

PRESSEKONFERENZ

Christine Lagarde, Präsidentin der EZB,
Luis de Guindos, Vizepräsident der EZB

Frankfurt am Main, 16. Dezember 2021

[Der vierte und der siebte Absatz dieser Erklärung wurden am 17. Dezember 2021 um 13:50 Uhr bzw. am 21. Januar 2022 um 13:00 Uhr korrigiert, um die englische Originalfassung besser wiederzugeben.]

Guten Tag, der Vizepräsident und ich begrüßen Sie zu unserer Pressekonferenz.

Die Wirtschaft des Euroraums erholt sich weiter und die Lage am Arbeitsmarkt verbessert sich, wozu umfangreiche Stützungsmaßnahmen beigetragen haben. Zwar schwächt sich das Wachstum derzeit ab, aber wir erwarten, dass es im Laufe des nächsten Jahres deutlich anziehen wird. Die jüngste Pandemiewelle und die Omikron-Variante haben einige Länder dazu veranlasst, wieder schärfere Beschränkungen einzuführen. Die Energiepreise sind deutlich gestiegen. Und in einigen Branchen gibt es Engpässe bei Material, Ausrüstung und Arbeitskräften. Diese Faktoren bremsen die Wirtschaftstätigkeit und trüben die kurzfristigen Aussichten. Allerdings sind inzwischen viele Menschen geimpft und die Booster-Impfkampagnen haben Fahrt aufgenommen, wenngleich die Krise im öffentlichen Gesundheitswesen anhält. Insgesamt kommt die Gesellschaft mittlerweile besser mit den Pandemiewellen und den daraus resultierenden Beschränkungen zurecht. Dadurch haben sich die Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft verringert. Die Inflation hat aufgrund der kräftigen Steigerung der Energiepreise drastisch zugenommen. Auch die Tatsache, dass in manchen Sektoren die Nachfrage rascher anzieht als das derzeit eingeschränkte Angebot, trägt zum Inflationsanstieg bei. Es wird erwartet, dass die Inflation auf kurze Sicht erhöht bleibt. Sie dürfte jedoch im Lauf des nächsten Jahres wieder nachgeben. Die Inflationsaussichten wurden nach oben korrigiert, obgleich unsere Projektionen nach wie vor davon ausgehen, dass sich die Inflation im Laufe des Projektionszeitraums unterhalb unseres Zielwerts von 2 % einpendeln wird.

Wir sind der Auffassung, dass die Fortschritte bei der wirtschaftlichen Erholung und im Hinblick auf unser mittelfristiges Inflationsziel eine schrittweise Verringerung unserer Ankäufe von Vermögenswerten in den kommenden Quartalen zulassen. Damit sich die Inflation auf mittlere Sicht bei unserem Zielwert von 2 % stabilisiert, ist jedoch nach wie vor eine geldpolitische Akkommodierung erforderlich. In Anbetracht der derzeitigen Unsicherheit müssen wir bei der Durchführung der Geldpolitik Flexibilität und Optionalität wahren. Vor diesem Hintergrund hat der EZB-Rat die folgenden Beschlüsse getroffen:

1. Wir gehen davon aus, dass wir im ersten Quartal 2022 geringere Nettoankäufe von Vermögenswerten im Rahmen des Pandemie-Notfallankaufprogramms (Pandemic Emergency Purchase Programme – PEPP) durchführen werden als im laufenden Quartal. Wir werden die Nettoankäufe im Rahmen des PEPP Ende März 2022 einstellen.

2. Der EZB-Rat hat beschlossen, den Wiederanlagezeitraum für das PEPP zu verlängern. Er beabsichtigt nun, die Tilgungsbeträge der im Rahmen des PEPP erworbenen Wertpapiere mindestens bis Ende 2024 bei Fälligkeit wieder anzulegen. Das zukünftige Auslaufen des PEPP-Portfolios wird in jedem Fall so gesteuert, dass eine Beeinträchtigung des angemessenen geldpolitischen Kurses vermieden wird.

3. Die Pandemie hat gezeigt, dass – unter Stressbedingungen – Flexibilität bei der Gestaltung und Durchführung der Ankäufe von Vermögenswerten dazu beigetragen hat, der Beeinträchtigung der Transmission unserer Geldpolitik entgegenzuwirken. Zudem hat sie die Effektivität unserer Bemühungen beim Erreichen unseres Ziels erhöht. Unter Stressbedingungen wird Flexibilität innerhalb unseres Mandats auch in Zukunft ein Bestandteil der Geldpolitik bleiben, wann immer das Erreichen von Preisstabilität durch Gefahren für die geldpolitische Transmission bedroht ist. Insbesondere können die Wiederanlagen im Rahmen des PEPP jederzeit flexibel über den Zeitverlauf, die Anlageklassen und die Länder hinweg angepasst werden, wenn es im Zusammenhang mit der Pandemie zu einer neuerlichen Marktfragmentierung kommt. Dies könnte den Ankauf von durch die Hellenische Republik begebenen Anleihen umfassen, der über die Wiederanlage von Tilgungsbeträgen hinausgeht, um eine Unterbrechung von Ankäufen in diesem Land zu vermeiden. Eine solche Unterbrechung könnte die Transmission der Geldpolitik auf die griechische Wirtschaft beeinträchtigen, während diese sich noch von den Folgen der Pandemie erholt. Sie könnten erforderlichenfalls wieder aufgenommen werden, um negativen Schocks im Zusammenhang mit der Pandemie entgegenzuwirken.

4. Wir haben beschlossen, im Rahmen des APP im zweiten Quartal monatliche Nettoankäufe im Umfang von 40 Mrd € und im dritten Quartal im Umfang von 30 Mrd € durchzuführen. Dies steht im Einklang mit der schrittweisen Reduzierung der Ankäufe von Vermögenswerten und stellt sicher, dass der geldpolitische Kurs weiterhin mit einer mittelfristigen Stabilisierung der Inflation bei unserem Zielwert vereinbar ist. Ab Oktober 2022 werden wir die Nettoankäufe von Vermögenswerten im Rahmen des APP in einem monatlichen Umfang von 20 Mrd € so lange fortsetzen, wie dies für die Verstärkung der akkommodierenden Wirkung unserer Leitzinsen erforderlich ist. Wir gehen davon aus, dass die Nettoankäufe beendet werden, kurz bevor wir mit der Erhöhung der EZB-Leitzinsen beginnen.

Darüber hinaus haben wir die Höhe der EZB-Leitzinsen und unsere Forward Guidance zu deren zukünftiger Entwicklung bestätigt. Dies ist entscheidend dafür, den angemessenen Grad an geldpolitischer Akkommodierung aufrechtzuerhalten, um die Inflation auf mittlere Sicht bei unserem Zielwert von 2 % zu stabilisieren.

Wir werden die Refinanzierungsbedingungen für Banken weiterhin beobachten und dafür sorgen, dass die Fälligkeit der GLRG-III-Geschäfte die reibungslose Transmission unserer Geldpolitik nicht beeinträchtigt. Zugleich werden wir in regelmäßigen Abständen bewerten, wie gezielte Kreditgeschäfte zu unserem geldpolitischen Kurs beitragen. Wie angekündigt gehen wir davon aus, dass die im Rahmen der GLRG III geltenden Sonderkonditionen im Juni 2022 auslaufen. Wir werden darüber hinaus die angemessene Kalibrierung unseres zweistufigen Systems für die Verzinsung von Reserveguthaben prüfen, damit die Intermediationsfunktion der Banken in einem von hoher Überschussliquidität geprägten Umfeld durch die Negativzinspolitik nicht eingeschränkt wird.

Der EZB-Rat ist bereit, alle seine Instrumente gegebenenfalls und in jede Richtung anzupassen, um sicherzustellen, dass sich die Inflation mittelfristig bei seinem Zielwert von 2 % stabilisiert.

Ich werde nun näher erläutern, wie wir die Entwicklungen in der Wirtschaft und bei der Inflation einschätzen. Anschließend werde ich auf unsere Beurteilung der finanziellen und monetären Bedingungen eingehen.

Wirtschaftstätigkeit

Die konjunkturelle Erholung dürfte unseres Erachtens weiterhin von der kräftigen Binnennachfrage gestützt werden. Die Lage am Arbeitsmarkt verbessert sich, denn die Zahl der Erwerbstätigen steigt und weniger Menschen befinden sich in Programmen zur Arbeitsplatzsicherung. Dies erhöht die Aussicht auf steigende Einkommen und steigende Konsumausgaben. Letzteren dürften auch die während der Pandemie aufgebauten Ersparnisse zugutekommen. Die aktuellen finanz- und geldpolitischen Stützungsmaßnahmen sowie die anhaltende weltweite Erholung dürften förderlich für das Wachstum sein.

Die Wirtschaftstätigkeit hat im Schlussquartal des laufenden Jahres etwas nachgelassen, und dieses langsamere Wachstumstempo dürfte zu Beginn des nächsten Jahres noch anhalten. Wir gehen nun davon aus, dass die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal 2022 das Niveau erreicht, das sie vor Ausbruch der Pandemie hatte.

Einige Länder des Euroraums haben wieder strengere Eindämmungsmaßnahmen ergriffen, um die derzeitige Welle der Pandemie zu brechen. Dadurch könnte sich die Erholung verzögern, insbesondere in den Bereichen Reise, Tourismus, Gastgewerbe und Unterhaltung. Die Pandemie belastet das Verbraucher- und das Unternehmervertrauen, und die Ausbreitung neuer Virusvarianten sorgt für zusätzliche Unsicherheit. Außerdem dämpfen steigende Energiekosten den Konsum.

Die in einigen Sektoren herrschenden Engpässe bei Ausrüstung, Material und Arbeitskräften bremsen die Industrieproduktion, führen zu Bauverzögerungen und verlangsamen die Erholung in einigen Bereichen des Dienstleistungssektors. Diese Engpässe werden uns noch eine Weile begleiten, sie dürften sich aber im Laufe des Jahres 2022 verringern.

Wir gehen davon aus, dass das Wachstum im Laufe des Jahres 2022 kräftig anziehen wird. Die jüngsten von Experten des Eurosystems erstellten Projektionen deuten darauf hin, dass die Jahreswachstumsrate des realen BIP im laufenden Jahr bei 5,1 %, 2022 bei 4,2 %, 2023 bei 2,9 % und 2024 bei 1,6 % liegen wird. Gegenüber unseren Projektionen vom September wurde der Ausblick für 2022 nach unten und für 2023 nach oben korrigiert.

Gezielte und wachstumsfreundliche finanzpolitische Maßnahmen sollten die geldpolitischen Maßnahmen weiterhin ergänzen. Diese Unterstützung wird ebenfalls dazu beitragen, dass die Wirtschaft sich an die strukturellen Veränderungen anpasst, die sich gegenwärtig abzeichnen. Eine effektive Umsetzung des Programms „Next Generation EU“ und des „Fit für 55“-Pakets wird zu einer kräftigeren, grüneren und gleichmäßigeren Erholung in den Euro-Ländern beitragen.

Inflation

Im November ist die Inflation weiter gestiegen und lag bei 4,9 %. Sie wird über weite Strecken des Jahres 2022 über 2 % bleiben. Die Inflation dürfte auf kurze Sicht erhöht bleiben, im Laufe des nächsten Jahres aber sinken.

Der derzeitige Inflationsanstieg ist hauptsächlich auf den kräftigen Preisschub bei Treibstoffen, Gas und Strom zurückzuführen. Im November war mehr als die Hälfte der Gesamtinflation der Energiepreisinflation geschuldet. Zudem steigt die Nachfrage in bestimmten Sektoren weiterhin schneller als das eingeschränkte Angebot. Die Folgen zeigen sich vor allem in den Preisen für Gebrauchsgüter und für jene verbrauchernahen Dienstleistungen, die seit Kurzem wieder angeboten werden. Auch Basiseffekte im Zusammenhang mit dem Auslaufen der Mehrwertsteuersenkung in Deutschland tragen nach wie vor zu einer höheren Inflation bei, allerdings nur noch bis Jahresende.

Es ist ungewiss, wie lange es dauern wird, bis diese Faktoren wegfallen. Wir gehen aber davon aus, dass sich im Laufe des Jahres 2022 die Energiepreise stabilisieren, die Konsumgewohnheiten normalisieren und die weltweiten Angebotsengpässe verringern.

Die schrittweise Rückkehr der Wirtschaft zu einer vollen Kapazitätsauslastung und die weitere Belebung des Arbeitsmarkts dürften im Laufe der Zeit zu einem schnelleren Anstieg der Löhne beitragen. Die marktbasierten und umfragebasierten Messgrößen der längerfristigen Inflationserwartungen sind seit unserer letzten geldpolitischen Sitzung im Oktober im Wesentlichen unverändert geblieben. Insgesamt haben sie sich aber in den letzten Monaten dem Wert von 2 % angenähert. Diese Faktoren werden dazu beitragen, dass die zugrunde liegende Inflation anzieht und die Gesamtinflation mittelfristig auf unseren Zielwert ansteigt.

In unseren jüngsten Projektionen gehen unsere Experten davon aus, dass die jährliche Inflationsrate 2021 bei 2,6 %, 2022 bei 3,2 % und in den Jahren 2023 und 2024 bei jeweils 1,8 % liegen wird. Die Werte wurden also gegenüber den vorherigen Projektionen vom September deutlich nach oben korrigiert. Die durchschnittliche Inflation ohne Nahrungsmittel und Energie wird den Projektionen zufolge 2021 bei 1,4 %, 2022 bei 1,9 %, 2023 bei 1,7 % und 2024 bei 1,8 % liegen. Auch dies stellt eine Aufwärtskorrektur im Vergleich zu den September-Projektionen dar.

Risikobewertung

Die Risiken für die Konjunkturaussichten bewerten wir als weitgehend ausgewogen. Die Wirtschaftsleistung könnte unsere Erwartungen übertreffen, falls die Verbraucher zuversichtlicher werden und weniger sparen als erwartet. Die jüngste Zuspitzung der Pandemie, einschließlich der Ausbreitung neuer Virusvarianten, könnte hingegen das Wachstum länger belasten. Die künftige Energiepreisentwicklung und das Tempo, in dem sich Angebotsengpässe auflösen, stellen Risiken für die Erholung und die Inflationsaussichten dar. Die Inflation könnte höher ausfallen, wenn der Preisdruck dazu führt, dass die Löhne stärker steigen als erwartet, oder wenn die Wirtschaft ihre Kapazität rascher wieder voll ausschöpft.

Finanzielle und monetäre Bedingungen

Seit der Sitzung des EZB-Rats im Oktober sind die Marktzinsen weitgehend stabil geblieben. Die Zinsen für Bankkredite an Unternehmen und private Haushalte liegen nach wie vor auf einem historisch niedrigen Niveau. Insgesamt bleiben die Finanzierungsbedingungen für die Wirtschaft günstig. Die Kreditvergabe an Unternehmen ist teilweise auf kurzfristigen Finanzierungsbedarf zurückzuführen. Dieser ist eine Folge von Angebotsengpässen, die höhere Ausgaben für Lagerhaltung und Betriebskapital nach sich ziehen. Gleichzeitig ist die Kreditnachfrage der Unternehmen aufgrund von Gewinnrücklagen, großzügigen Liquiditätsbeständen sowie einem hohen Verschuldungsniveau nach wie vor moderat. Die Kreditvergabe an private Haushalte bleibt robust, was der Nachfrage nach Immobilienkrediten zuzuschreiben ist.

Die Banken im Euroraum haben ihre Bilanzen dank höherer Kapitalquoten und geringerer Bestände an notleidenden Krediten weiter gestärkt. Banken sind derzeit so profitabel wie vor der Pandemie. Die Refinanzierungsbedingungen für Banken sind weiterhin günstig.

Im Einklang mit unserer neuen geldpolitischen Strategie nimmt der EZB-Rat zweimal im Jahr eine eingehende Beurteilung der Wechselbeziehung zwischen Geldpolitik und Finanzstabilität vor. Eine akkommodierende Geldpolitik fördert das Wachstum, was die Bilanzen von Unternehmen und Finanzinstituten stärkt und dem Risiko von Marktfragmentierungen vorbeugt. Gleichzeitig müssen die Auswirkungen einer akkommodierenden Geldpolitik auf die Immobilien- und Finanzmärkte genau beobachtet werden, da sich einige mittelfristige Schwachstellen verstärkt haben. Die makroprudenzielle Politik ist dennoch weiterhin die erste Verteidigungslinie, um Finanzstabilität sicherzustellen und gegen mittelfristige Schwachstellen vorzugehen.

Schlussfolgerung

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die Wirtschaft des Euroraums weiter erholt, auch wenn sich das Wachstum auf kurze Sicht abschwächt. Der starke Anstieg der Energiepreise und die Tatsache, dass die Nachfrage in manchen Sektoren rascher anzieht als das eingeschränkte Angebot, treiben die Inflation nach oben. Die Inflation wird über weite Strecken des Jahres 2022 über unserem Ziel liegen, dürfte aber im Jahresverlauf zurückgehen. Zugleich können wir angesichts der Fortschritte bei der wirtschaftlichen Erholung und im Hinblick auf unser mittelfristiges Inflationsziel die Nettoankäufe im Rahmen des PEPP im März einstellen. Aber geldpolitische Akkommodierung – einschließlich der Nettoankäufe im Rahmen des APP und unserer Forward Guidance zu den Zinssätzen – ist nach wie vor erforderlich, damit sich die Inflation auf mittlere Sicht bei unserem Inflationsziel von 2 % stabilisiert.

Wir sind nun gerne bereit, Ihre Fragen zu beantworten.

Der Wortlaut, auf den sich der EZB-Rat verständigt hat, ist der englischen Originalfassung zu entnehmen.

KONTAKT

Europäische Zentralbank

Generaldirektion Kommunikation

Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet.

Ansprechpartner für Medienvertreter